Die klassische Kata (Koshiki Kata)

Zum Verständnis der klassischen Kata bedarf es eines zweigleisigen Studienweges論と実践, riron to jissen - Theorie und Praxis. Ein solcher Weg erfordert sowohl das theoretische Studium der kata, als auch ihre kontinuierliche Übung im dōjō. Keines der beiden funktioniert ohne das andere. In beiden Fällen ist sowohl das Lernen unter einem Sensei (shitei) als auch das Selbststudium und die Eigenverantwortung gefragt. Das Studium der klassischen Kata ist eine Wissenschaft und kein Sport. Ihr bunkai (Studium/Analyse) umfasst sowohl das Studium der Theorie als auch das Studium der Praxis

Studium der Theorie 

Die Theorie der Kata (型の理論, kata no riron) bezeichnet eine ganze Reihe von theoretischen Studien und wissenschaftlichen Forschungen, die zum Verständnis einer Kata von Bedeutung sind: Japanische Sprache (nihongo), japanische Dialekte und ihre Abwandlungen (hōgen), japanische Schrift (hōji), chinesische Schrift (hànzì), japanische Literatur (nihon bungaku), alte Terminologie der Kampfkünste. Im Einzelnen zu betrachten sind die Geschichte und Philosophie der asiatischen Völker, Grundlagen und Konzepte der alten Kata, Diätik (chángmìng), Vitalpunktlehre (kyūsho, diǎnxuè), Heilpflanzenkunde, Pharmakologie und Gesundheitskonzepte der alten Lehren, Physik, Biologie und budō-spezifische Bewegungslehre (sabaki), Studium der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) u.a. Dazu kommen viele weitere Studien über die Geschichte und Kultur der ostasiatischen Völker. 

Studium der Praxis 

Die Praxis der Kata (型の実践, kata no jissen) bezeichnet die physische Übung der Form (geiko, renshū) und unterteilt sich in zwei grundlegende Methoden: 

  • Genkyo (原拠) - das Üben der Basisform einer Kata - also das, was man unter ihrem technischen Ablauf versteht. Zum besseren Verständnis können die Techniken der kata isoliert geübt werden, wodurch kihon (Grundschule) entsteht.                                                                                               
  • Ōyō (応用) - die Anwendung der Kata-Techniken mit einem Partner. Das System ist vielschichtig und begründet die Methoden der Partnerübungen (kumite).

In beiden Fällen enthalten die Systeme des genkyo (Ablauf) und ōyō (Anwendung) verschiedene Variationen, deren Betrachtung wichtig zum Verständnis der Kampfkunst ist: - Henka (変化) - „Veränderung“, „Variation“ der Techniken und Verfahren, die immer wieder zweckentsprechend verändert werden müssen, um den vielfältigen Absichten einer Kata gerecht zu werden. Innerhalb von genkyo bezeichnet henka in erster Linie die Veränderung der Technik von kihon waza zu jiyū waza. Im ōyō unterscheidet sich dementsprechend kihon ippon kumite von jiyū ippon kumite. - Kakushi (隠し) - „versteckt“, ist eine weiterführende Wissenschaft, die nur von einem Sensei vermittelt werden kann. Gemeint ist damit die hintergründige Seite (okuden) der Kampfkunst, die nur von einem entsprechend ausgebildeten Lehrer vermittelt werden kann. Grundsätzlich ist diese Methode eine summare Weiterentwicklung aller bisher beschriebenen Prinzipien und enthält neben omote (offensichtliche Seite) auch ura (hintergründige Seite).