Kūshankū ist eine okinawanische Kata des Karate und Ursprung der späteren japanischen Kata Kankū (z. B. Kanku-dai und Kanku-sho im modernen Shotokan-Stil). Das Original wurde vom Chinesen Kūshankū (Kosokun (okinawa.), Kwang Shang Fu (chin.)) einem Kampfkunstexperten des nördlichen Shǎolín-Stils, der zwischen 1756 und 1762 als Gesandter des chinesischen Ming-Kaisers nach Okinawa kam, kreiert. Über die Existenz von Kūshankū gibt es mehrere Theorien:
Im Jahre 1762 strandete ein Tributschiff der Satsuma während eines Sturmes und lag bei Tosa (Provinz Shikoku) ein Monat lang fest. Der auf Tosa lebende konfuzianische Gelehrte Tobe Ryoen (1713-1795) sammelte Aussagen von den Mitgliedern der Besatzung, die später unter dem Begriff oshima hikki in die Annalen der japanischen Geschichte eingingen. Auf dem Schiff befand sich ein gewisser Shionja Peichin, der von einem chinesischen Kampfkunstexperten auf Okinawa mit dem Name Kōsokūn berichtete. Dieser habe dort seine hohe Kunst in mehreren Demonstrationen gezeigt.
Man vermutet, dass Kūshankū als chinesischer Militärattache im Jahre 1756 im Zuge der chinesisch okinawanischen Handelsbeziehungen als Gesandter des chinesischen Ming-Kaisers nach Okinawa kam und sich dort bis 1762 aufhielt. Der Kaiser der Ming-Dynastie wählte damals einige Familien (die „36 Familien“, Okinawa) aus dem chinesischen Gebiet Fújiàn (Fukien, Südost China), deren Mitglieder in verschiedenen Berufen und Künsten ausgebildet waren, aus, die sich auf Okinawa in der Nähe der Stadt Naha in einer chinesischen Siedlung (Kumemura) niederließen. Einer von ihnen war Kūshankū. Kūshankū hatte auf Okinawa zwei Schüler. Meister Yara Chatan (Kitayara auch Chatanyara) und den bereits im okinawanischen Tōde (okinawanische Kampfkunst und Vorläufer des heutigen Karate) etablierten Meister Sakugawa. Beiden lehrte er eine Kata, die später unter seinem Namen in nahezu allen okinawanischen Stilen bekannt wurde. Die ursprüngliche Kūshankū wurde jedoch von Sakugawa verändert, was in der Folgezeit zur Gründung mehrerer Varianten im Shuri-te führte, die aus der Sakugawa no Kūshankū abgeleitet wurden. So verbreitete sich die Kūshankū Kata von allem Anfang an unter zwei Formen. Einerseits unter Sakugawa no Kūshankū und andererseits unter Chatanyara no Kūshankū. Beide Varianten haben das Bild des okinawanischen Karate entscheidend geprägt.
Sakugawa no Kūshankū
Meister Sakugawa, der überragende Tōde-Experte, veränderte die Kūshankū nach seiner kämpferischen Auffassung, indem er die vielen subtilen Angriffe auf Vitalpunkte entfernte und sie durch nüchternere Techniken ersetzte. Er konnte die hochwissenschaftliche Methode des chinesischen quánfǎ nicht verstehen und gründete eine einfache Variante. Diese Variante lehrte er unter anderem Matsumura Sōkon, über den die einfache Variante der Kūshankū zu Itosu Yasutsune gelangte. Von dort aus verbreitete sie sich als Itosu no Kūshankū über Funakoshi Gichin, Mabuni Kenwa und Chibana Chōshin in die weiteren Stile. Die wichtigsten Versionen der Kūshankū aus der Richtung Sakugawas sind:
Okinawa
Kūshankū dai (vor allem Jodan-Techniken), Kūshankū sho (vor allem Nidan-Techniken) und Shihō kūshankū (Kombination aus den ersten beiden). Von dieser Kūshankū als Grundkata leitete Itosu wahrscheinlich die heutigen Pinan beziehungsweise Heian Katas ab!!
Chibana no Kūshankū daiChibana no Kūshankū shoJapan Nach Japan übertrug sich die Itosu no kūshankū über Funakoshi Gichin (Shōtōkan) und später über seinen Schüler Otsuka Hironori (Wadō-ryū) als:
Gleichzeitig lernte Mabuni Kenwa (Shito-ryu) unter Itosu und übernahm von ihm alle okinawanischen Formen:
Von Kūshankū zu Kankū In den 1930er-Jahren änderte Gichin Funakoshi den Namen Kūshankū in Kankū. Kankū (jap. 観空) bedeutet übersetzt „in den Himmel schauen“. Es waren Funakoshi und Kenwa Mabuni, die sie im Shōtōkan- und Shitō ryu-Stil verbreiteten. Im Shōtōkan-Stil werden zwei Varianten der Kankū geübt. Nämlich die Kankū-dai und die Kankū-shō (Das Suffix dai bedeutet „groß“, während shō „klein“ bedeutet). Für Funakoshi war die Kankū-dai die universale Kata des Shōtōkan, die alle Elemente in sich vereinte. Viele Sequenzen, die in den Heian Katas geübt werden, finden sich in der Kankū-dai wieder. Chatanyara no Kūshankū Über die Herkunft von Meister Chatan Yara gibt es verschiedene Aussagen. Vermutlich ist er in Chatan geboren, worauf sein Name schließen lässt. Fest steht, dass er eine hochstehende Ausbildung besaß, die ihm den engen Kontakt zu Kūshankū ermöglichte. Meister Chatan Yara war der offizielle Nachfolger im Schatten (uchi deshi) Kūshankūs. Einige Quellen geben auch an, dass Meister Chatan Yara die chinesische Sprache durch längere Aufenthalte auf dem chinesischen Festland gelernt hat, wo er auch in den Kampfkünsten unterrichtet wurde. Während seiner längeren Aufenthalte in China studierte er auch die inneren Künste (u. a. qigōng) und war daher in der Lage, die subtile chinesische Technik der Kūshankū zu verstehen. Sein Bildungshintergrund macht deutlich, warum er die subtilen Techniken, die Meister Sakugawa aus Unverständnis und individueller Interpretation änderte, wesentlich besser verstand. Viel leichter, als der in den chinesischen Wissenschaften unausgebildete Tōde-Experte Meister Sakugawa, gewann er Einblick in den esoterischen Inhalt der Kata. Er beließ die Kūshankū in ihrer ursprünglichen Form und gab sie über seinen Nachfolger, Yara Yomitan, an Kyan Chōtoku (Kiyatake) weiter. So fand die Entwicklung der Kūshankū ab Sakugawa und Yara in zwei Formen statt. Eine nüchterne, direkt kampfbezogene Methode des Tōde-Meisters Sakugawa und eine subtile Vitalpunktvariante des chinesisch geprägten Yara. Alle nachher entstandenen Kūshankū-kata sind entsprechend der Genealogie der Meister Ableitungen dieser beiden Formen.
Anekdote:
Als Beispiel für die Beziehung zwischen dem okinawanischen Tōde und dem chinesischen quánfǎ kann die erste Begegnung Sakugawas mit Kūshankū herangezogen werden. Als Sakugawa 23 Jahre alt war, galt er bereits als ein fortgeschrittener Schüler der Kampfkünste und war auf Okinawa recht bekannt. Eines Morgens ging er in der Nähe der Stadt Shuri an einem Fluss spazieren und sah einen elegant gekleideten Fremden, der in der Meditation versunken am Ufer stand. Er wollte dem Fremden einen Streich spielen und schlich sich leise von hinten an ihn heran, um ihn ins Wasser zu stoßen. Der Fremde jedoch vereitelte Sakugawas Vorhaben, denn im letzten Augenblick drehte er sich um und fasste den Okinawaner so fest am Handgelenk, dass dieser sich nicht mehr befreien konnte. Der Fremde wies Sakugawa wegen seines Verhaltens zurecht, und als er erfuhr, dass Sakugawa ein Meister des Tōde war, sagte er zu ihm: „Wenn du wieder nach Kumemura kommst, dann frage nach Kūshankū, und ich werde dir nicht nur das Wie, sondern auch das Warum der Kampfkünste beibringen.“ Daraufhin wurde Sakugawa Kūshankūs Schüler.
Kushanku
Quellen:
Literatur